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Zu Faul für die Zukunft

  • sveahoehlein
  • 13. März 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Juni 2023

"Was willst du werden?". Der verwirrte Gesichtsausdruck, der abfällige Unterton und die Körperhaltung verrieten mir, für wie abwegig mein Wunsch gehalten wurde. Die mich kritisch musternden Augen und das darauf folgende Kopfschütteln hätte ich für die Einschätzung nicht mehr gebraucht. "Und was ist dein Plan B?" Ich hasste diese Frage. Hätte ich ihr gesagt, ich wolle Tischlerin werden, hätte sie nicht nach meinem Plan B gefragt. Doch Schauspielerin? Dass konnte in ihren Augen nur schiefgehen. Sie sah mich wahrscheinlich schon in einem Rinnstein liegen, ungepflegt und um Geld bettelnd. Dabei war sie selber freiberuflich Tätig. Sie wusste nicht, was der nächste Monat bringen würde, geschweige denn, von welchem Geld wir in einem halben Jahr leben würden. Das war schon immer so gewesen, seit ich mich erinnern kann. Hätte ich ihr gesagt, ich wolle auch freischaffende Musikerin werden, hätte sie damit kein Problem gehabt. Doch Schauspielerin schien da wohl eine Ausnahme zu sein. "Das passt zu dir", kam der nächste Kommentar. Wie ich diesen Satz verstehen konnte, war mir überlaßen. Doch an seinem Gesichtsaudruck war deutlich zu erkennen, dass ihm mein Traum genauso missfiel wie ihr. Doch bevor ich weiter interpretieren konnte, kam die Erklärung "Dafür muss man nicht viel tun und sich nicht anstrengen" Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Mal abgesehen davon, dass ich um einen Platz an einer Hochschule und später einem Theater hart und vielleicht lange kämpfen musste, natürlich nicht. Doch das waren in ihren Augen wieder nur Kleinigkeiten "Wenn man etwas möchte, muss man immer dafür kämpfen, mussten wir ja auch" Na klar. Mein Leben lang hörte ich mir nun schon die Geschichten an, wie sie sich gerade so durch die Aufnahmeprüfungen geschummelt hatten. Sie hatten beide direkt ihren Studienplatz bekommen, wo war da der Kampf? "Das brauchst du nicht zu versuchen, dass ist unrealistisch", kam der nächste Kommentar. Hatte ich eigentlich nach einer Reaktion verlangt? Irgendwie schien es so, denn alle wollten nun etwas zu meinem Traum beitragen, ihn Kommentieren und einschätzen. Ein hilfreicher Ratschlag folgte auf den nächsten, eine Lebensweisheit folgte der anderen. Doch im Kern sagten sie alle das aus, was sie ihr Leben lang schon zu pflegen sagten: "Das wird doch eh nichts, dafür bist du zu faul!"

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